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Gegessen wird, was ins Regal kommt

Die Klimakrise drängt, in Deutschland sinkt der Fleischkonsum und der Handel senkt die Preise für pflanzliche Alternativen: Die Food-Branche ist in Bewegung wie nie. Ein Trendbericht von der internationalen New Food Conference in Berlin.

Lidl, Burger King, Wiesenhof, Rewe, Unilever – rund 300 „Foodies“, vorwiegend aus Industrie und Handel, haben am 25. und 26. Oktober im futuristischen Berliner Tagungszentrum Axica und online diskutiert, wie die Transformation unseres Ernährungssystems schnell gelingen kann. Rein pflanzliche Nahrungsmittel? Kultiviert aus Tierzellen? Oder fermentiert auf Pilzbasis? Welche Hürden gibt es und wie lassen sie sich überwinden? Die fünf spannendsten Trends:

1. Genuss ohne Aufpreis

Laut einer Preisstudie der Ernährungsorganisation ProVeg kostete im August ein pflanzlicher Warenkorb in Deutschland im Schnitt nur noch 25 Prozent mehr als ein vergleichbarer Warenkorb mit tierischen Produkten. Der Aufpreis für pflanzliche Alternativen hat sich damit gegenüber dem Vorjahr mehr als halbiert, ist aber vor allem für Haushalte, die im Supermarkt genau auf den Preis schauen müssen, immer noch zu hoch.

Im Oktober hat Lidl die Preise einiger Produkte seiner veganen Eigenmarke dann auf das Niveau vergleichbarer Tierprodukte gesenkt. Kaufland hat nachgezogen, Penny und Aldi laut Medienberichten ebenso. „Dies ist ein Meilenstein, denn die Preisgarantie von Lidl schafft eine starke Erwartungshaltung der Verbraucher, die der Handel aus unserer Sicht nur schwer enttäuschen kann“, kommentiert Dirk Liebenberg, einer der Studienautoren.

„Die Preisgarantie dürfte sich auch auf die Preise von Markenprodukten auswirken“, so Liebenberg weiter. „Dies gilt vor allem, wenn die Nachfrage nach pflanzlichen Alternativen aufgrund der Preisanpassungen erkennbar zunimmt und andere Einzelhändler und Hersteller dem Beispiel folgen.“ Denn die Händler entscheiden, was im Regal landet – und damit auf unserem Teller. Doch auch die Politik kann Anreize für eine nachhaltigere Ernährung schaffen, etwa durch niedrigere Steuersätze für pflanzliche Alternativen.

2. Pflanzlich außer Haus

Burger King Deutschland verkauft seine Veggie-Burger seit vier Jahren zum gleichen Preis wie fleischhaltige Burger: „Ohne Preishürde probieren die Gäste schneller“, erklärt Marketing-Chef Klaus Schmäing. Anfangs habe die Fastfood-Kette noch „zugebuttert“, doch inzwischen mache es die Menge: Jeder fünfte Whopper, der heute über die Theke geht, sei fleischlos.

Mit einem wachsenden pflanzlichen Sortiment verfolgt Schmäing große Ambitionen: „Wir wollen die Rügenwalder des Food Service sein“, so Schmäing. Der Wursthersteller Rügenwalder Mühle verkaufte 2021 erstmals mehr vegane und vegetarische Produkte als tierische Fleischwaren.

Nicht nur die Markengastronomie, auch Mensen, Krankenhäuser, Schulen und Kindergärten sind entscheidend für eine pflanzliche Verpflegung im großen Stil. Doch vielen Köchen fehlt bislang das nötige Know-how. V-Planet aus Mecklenburg-Vorpommern beliefert daher Klinikgruppen wie Helios und Vivantes mit vollwertigen pflanzlichen Fertigmahlzeiten in Bio-Qualität. 2024 soll das Angebot ausgebaut werden, wegen großer Nachfrage.

Ein wichtiger Hebel sind auch Backwaren. Be Better My Friend aus den Niederlanden hat speziell für Bäckereien und Konditoreien eine pflanzliche Butter-Alternative entwickelt. Einige der weltbesten Konditoren loben die „Be Better“-Butter in den höchsten Tönen. Zu kaufen gibt es sie schon in Großbritannien, den Niederlanden und Frankreich.

3. Pilze – magische Superstars

Groß im Kommen sind Pilze als Zutat für Fleisch- und Fischalternativen. Ihr fadenförmiges Zellgeflecht – das Myzel – kommt der Textur von Fleisch sehr nahe. Zudem ist es reich an Ballaststoffen, hochwertigen Proteinen und Umami-Geschmack.

Das Start-up BioGNR aus Litauen fermentiert zum Beispiel Pilzprotein für pflanzliche Nuggets und Burgerpattys mit der faserigen Struktur von Hühner- oder Rindfleisch. Esencia Foods vermischt Myzelien mit Hülsenfrüchten, für die ersten pilzbasierten Fischalternativen Europas. Ein Filet à la Kabeljau gibt es schon zum Probieren, Ende nächsten Jahres soll das Produkt erstmals in Restaurants in Barcelona auf den Tisch kommen.

Bosque Foods aus Berlin züchtet mit Nebenprodukten der Agrarindustrie Myzelien für ganze Speckstreifen, Schweinefilets und Chicken Nuggets. SomaTech aus Irland nutzt Biertreber für ein Myzel-Granulat als Zutat. Und damit die Hersteller alternative Proteine künftig schnell in großen Mengen produzieren können, plant Planetary in der Schweiz eine industrielle Fermentationsanlage.

4. Plant-based – das nächste Level

Ob mit oder ohne Pilze: Pflanzliche Alternativen zu Fleisch, Fisch und Milchprodukten werden immer besser – und vielfältiger. Das vegane Thunfisch-Filet von Happy Ocean Foods und der „Tu-Na“ in Dosen von Bettafish mit Erbsenprotein etwa können es in Sachen Geschmack, Textur und Nährwerte locker mit dem tierischen Pendant aufnehmen. Oder die Dumplings, Gyozas und Baos von Haofood aus China: Die asiatischen Teigtaschen kommen rein pflanzlich mit mehr Protein und Ballaststoffen daher als solche mit Fleisch.

5. Kultiviertes Fleisch

Es sieht aus wie Fleisch, es riecht wie Fleisch, aber wie schmeckt es? In Deutschland darf man kultiviertes Fleisch bislang noch nicht verkosten. In den Niederlanden neuerdings schon – ein gewaltiger Fortschritt für Hersteller wie Mosa Meat, die dort Fleisch aus Tierzellen züchten. Endlich bekommen sie das für die Produktentwicklung so wichtige Feedback von Verbrauchern.

Verkauft werden darf kultiviertes Fleisch bislang nur in Singapur und den USA, wo die Firmen Upside Foods und Good Meat im Juni eine Zulassung erhalten haben. Das kultivierte Fleisch ist allerdings nur im Restaurant zu haben und nur als Zutat in ansonsten pflanzlichen Nuggets, denn die Produktion ist noch sehr teuer. Cultimate Foods aus Berlin entwickelt daher ein kultiviertes Fett, das pflanzlichen Würstchen und Co. den saftigen Fleischgeschmack geben soll.

Rund 160 Firmen weltweit arbeiten derzeit an kultiviertem Fleisch und Fisch. Ob und wann die EU das „Novel Food“ zulässt, ist noch offen. Doch der Druck wächst: Im September hat The Cultivated B, ein Tochterunternehmen des deutschen Wurstherstellers Infamily Foods, als erstes Unternehmen der Welt bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die Zulassung für ein zellkultiviertes Fleischprodukt beantragt.

Bild Jessie van Hattum_Green Protein Alliance_Deniz Ficicioglu_Bettafish_Verena Wiederkehr_Billa_Victoria Reinsch_Formo (c) Ronja Bossen_ProVeg

Quelle ProVeg e. V.

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