StartNewsroomVenture Crack: Die Schattenseite des Fundraising. 

Venture Crack: Die Schattenseite des Fundraising. 

trend_tim_weissvon Tim Weiss, Autor und Fundraising-Experte

Fundraising ist eine der schwierigsten Herausforderungen, der sich Gründer beim Aufbau ihres Startups gegenüber sehen. Typischerweise schwirren ihnen dabei zahlreiche Fragen durch den Kopf: Wie viel Geld sollte ich aufnehmen? Welche Investoren sollte ich ansprechen? Welche Strategie verschafft mir die besten Aussichten auf Erfolg? Und wie kann ich eine möglichst hohe Unternehmensbewertung erzielen?

Diese Fragen haben alle ihre Berechtigung. Die entscheidende Frage, die sich Gründer vor dem Fundraising stellen sollten, ist jedoch eine andere. Sie lautet:

Sollte ich überhaupt Geld von Investoren aufnehmen?

Fundraising als Automatismus

Viele Gründer glauben, dass das Einwerben von Investorengeldern zu einem Startup dazugehört, wie der Kicker-Tisch oder der Kühlschrank voll mit Club Mate. Schließlich haben fast alle erfolgreichen Startups Geld von Investoren erhalten. Und die einschlägigen Startup-Blogs berichten fast täglich über neue Finanzierungsrunden in Millionenhöhe. Es kommt mir deshalb manchmal so vor, als würden wir als Startup-Szene Gründern nicht mehr für ihre geleistete Arbeit applaudieren, sondern hauptsächlich für das Einwerben von Investorengeldern. Es ist deshalb kein Wunder, dass vor allem junge Gründer glauben, für ihr Startup unbedingt Geld von Investoren einsammeln zu müssen. Dabei sieht die Realität anders aus.

Es gibt Alternativen

Fundraising ist nur eine von mehreren Möglichkeiten, wie man ein Startup finanzieren kann. Und es ist bei weitem nicht für jedes Startup die geeignete Option. Viele Geschäftsideen lassen sich komplett ohne externes Kapital umsetzen. In Zeiten von Cloud-Computing und Crowdsourcing lassen sich anfängliche Kosten häufig so niedrig halten, dass sie aus den Umsätzen und den eigenen finanziellen Mitteln gedeckt werden können. Dies wird im Fachjargon als Bootstrapping bezeichnet. Bootstrapping ist aus meiner Sicht häufig die beste Möglichkeit, ein Startup zu finanzieren.

Falls das Geschäftsmodell des Startups allerdings größere Anfangsinvestitionen vorsieht oder man zunächst über einen längeren Zeitraum Verluste einfahren wird, ist Bootstrapping nicht ohne weiteres möglich. In solchen Fällen sollten Gründer als nächstbeste Option eines der zahlreichen öffentlichen Förderprogramme wie EXIST oder ProFIT in Anspruch nehmen, die einem Startup das benötigte Kapital als Zuschuss oder als zinsgünstiges Darlehen zur Verfügung stellen können.

Öffentliche Förderprogramme haben den großen Vorteil, dass man als Gründer keine Anteile und keine Mitspracherechte an einen Investor abgeben muss. Sie haben jedoch auch Nachteile. Die Beantragung und Bewilligung dauert in der Regel sehr lange und den Beträgen, die man auf diese Art einwerben kann, sind Grenzen gesetzt.

Es existieren jedoch auch Situationen, in denen man als Gründer nicht daran vorbeikommt, Geld von Investoren aufzunehmen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn Bootstrapping und Fördergelder nicht ausreichen, den Kapitalbedarf des Startups zu decken und das Unternehmen bis zum Break-even zu führen. Dies ist allerdings nur in seltenen Fällen der Fall. Häufig haben Gründer einfach falsche Vorstellungen davon, was ihr tatsächlicher Kapitalbedarf ist.

Beschleunigtes Wachstum

Die Menge an Geld, die ein Startup benötigt, ist kein fixer Betrag. Der Kapitalbedarf eines Startups hängt vielmehr zu einem großen Teil von der gewählten Strategie ab. Kapital kann von den Gründern dazu genutzt werden, um Hindernisse schneller zu bewältigen und Entwicklungsschritte vorzuziehen. Es ermöglicht es ihnen beispielsweise mehr Personal einzustellen oder mehr Geld in Marketing zu investieren. In der Regel können Gründer die sich ihnen stellenden Herausforderungen allerdings auch genauso gut durch den Einsatz von zusätzlicher Zeit bewältigen.

Die meisten Startups haben die Wahl, ob sie lieber langsam organisch wachsen oder zusätzliches Geld für ein beschleunigtes Wachstum ausgeben wollen. Ein beschleunigtes Wachstum ist in der Regel nur mit Investorengeldern möglich. Auch wenn es natürlich einfacher ist, ein Startup mit reichlich verfügbaren Kapital aufzubauen, sollten sich Gründer diese Entscheidung wohl überlegen. Denn Fundraising hat einen tiefgreifenden Einfluss auf ein Startup.

Abhängigkeit von Investorengeldern

Sobald ein Startup einmal damit angefangen hat, Geld von Investoren aufzunehmen, ist es sehr schwierig, wieder damit aufzuhören. Venture Capital ist wie Crack und die meisten Startups sind bereits nach der ersten Finanzierungsrunde hoffnungslos abhängig. Diese Abhängigkeit endet erst mit dem Exit der Investoren oder der Insolvenz des Startups.

Bereits der erste Investor verändert die DNA eines Startups grundlegend. Dies zeigt sich nirgendwo so deutlich, wie in den Unternehmenszielen. Anstatt sich auf den Aufbau eines nachhaltigen Unternehmens zu konzentrieren, werden die Prioritäten stattdessen auf ein möglichst schnelles Wachstum gelegt. Denn ohne ein rasantes Wachstum kann der Investor das Startup später nicht für viel Geld verkaufen.

Das Erreichen der Profitabilität wird dadurch immer weiter nach hinten verschoben. Gleichzeitig verhindern die hohen Wachstumsansprüche des Investors das Runterfahren der Kostenstruktur. Startups geraten so schnell in eine Situation, in der sie jeden Monat Unsummen an Geld verbrennen und immer stärker abhängig von externem Kapital werden.

Für Gründer ist es sehr schwierig, sich aus diesem Teufelskreislauf zu befreien, da es für gewöhnlich einfacher ist, weiteres Kapital einzuwerben, als sich mit den Investoren über die grundlegende strategische Ausrichtung ihres Startups auseinanderzusetzen.

Fundraising als beste Option

Es gibt Situationen, in denen beschleunigtes Wachstum die besten Erfolgschancen für ein Startup bietet. In umkämpften Märkten ist ein schnelle Umsetzung und Marktpenetration häufig eine Grundvoraussetzung dafür, sich gegen die Konkurrenz durchsetzen zu können. Manche Geschäftsideen lassen sich deshalb nur mit Hilfe von Fundraising realisieren. Ein Zalando wäre ohne Investorengelder nicht in der Lage gewesen, die hohen Anfangsverluste auszugleichen, die notwendig waren, um als Erster den deutschen Markt zu besetzen. Für viele Startups ist Fundraising deshalb die richtige Entscheidung.

Die meisten Startups haben jedoch zu verschiedenen Zeitpunkten im Laufe ihres Bestehens die Wahl, ob sie ein beschleunigtes Wachstum verfolgen wollen, oder ob sie lieber bei einem langsameren organischen Wachstum bleiben möchten.

Mein persönliches Fazit

Gründer sollten sich vor dem Fundraising fragen, ob sie a) das Geld wirklich benötigen, b) sie es auf keine andere Art und Weise beschaffen können und c) sie gewillt sind, die Konsequenzen zu tragen. Eine Beteiligung durch einen Investor schafft Erwartungen an das Wachstum des Startups, die nur schwer zu erfüllen sind. Als Startup-Szene sollten wir Fundraising nicht übermäßig glorifizieren und es stattdessen als das sehen, was es wirklich ist: Ein notwendiges Übel, das für jeden Gründer wohlüberlebt sein sollte.

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Über den Autor Tim Weiss:

Tim Weiss hat für zwei Venture Capital Fonds gearbeitet, den Bereich Finanzen und Investor Relations für ein VC-finanziertes Unternehmen geleitet und war Mitgründer von zwei Startups. Zudem hat er als Consultant und Advisor zahlreiche Startups beim Einwerben von Investorengeldern beraten. Sein gesammeltes Wissen zum Thema Fundraising hat er in dem neuen Buch Startup Fundraising zusammengefasst.

Über Startup Fundraising:

Startup Fundraising vermittelt dem Leser das notwendige Fachwissen, um erfolgreich Geld von Investoren einwerben zu können und dabei häufig begangene Fehler zu vermeiden. Für Fortgeschrittene bietet das Buch zahlreiche Tipps und Tricks, mit deren Hilfe sie ihr nächstes Fundraising effizienter gestalten und bessere Ergebnisse erzielen können. Auf startupfundraising.de gibt es neben dem Buch weitere Informationen zum Thema Fundraising.

 

Stefan Kny
Stefan Knyhttps://www.gruendermetropole-berlin.de
Stefan Kny schreibt über ausgewählte Startupthemen und Artikel, die Startups Wissen vermitteln sollen. Stefan ist Chefredakteur des Wirtschaftsmagazins Paul F. Kontakt: stefan(at)gruendermetropole-berlin.de

Lesetipp Readly: Wirtschaftsmagazin Paul F

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