Für den langfristigen Anlageerfolg ist es für Investoren unerlässlich, früh Trends zu erkennen und zu nutzen. Werden die Überraschungen rund um die Künstliche Intelligenz (KI) anhalten? Anleger, die in diesem Umfeld erfolgreich sein wollen, müssen zunächst die Einnahmen der Unternehmen analysieren und zuallererst die „Nachzügler“ herausfiltern, die zu spät auf den Markt gekommen sind – ebenso wie die „Frühkommer“, die zu schnell ihr Pulver verschossen haben. Nur so lassen sich die Unternehmen finden, die sich in der genau richtigen Position befinden. Natürlich gibt es auch Risiken. Eines der größten ist sicherlich der Missbrauch der Technologie. Obwohl größere Investoren Risikominimierung betreiben, bleibt die Frage, wie sich gewinnbringend und verantwortungsvoll investieren lässt.
Zwischen 10 und 80 Prozent Umsatz durch KI
Seit der Einführung von ChatGPT1 haben Aktien aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz den breiteren Markt um fast 70 Prozent übertroffen (Abbildung 1). KI-Aktien waren ausschlaggebend für die positive globale Marktentwicklung.
Am besten positioniert sind Unternehmen, die die Infrastruktur für das Training von KI-Modellen bereitstellen. Dazu gehören die Hersteller von Halbleitern für GPUs, aber auch Firmen, die hochmoderne Datenzentren zur Vernetzung bauen. Weniger offensichtlich, aber nicht weniger relevant, sind die Anbieter von Stromgeneratoren, Kühlgeräten für Rechenzentren sowie Chipdesigns. Der auf KI zurückzuführende Anteil der Einnahmen dieser Sektoren liegt zwischen 10 und 80 Prozent2 – eine enorme Kursentwicklung. Basierend auf den Investitionsplänen dieser Hyperscaler gehen wir davon aus, dass der Sektor auch weiterhin ein enormes Umsatzwachstum verzeichnen wird.
Zweitklassige Unternehmen aus den Bereichen IT-Dienstleistung und -beratung sowie anderen Datenverwaltungssektoren legen bei KI-gestützten Umsätzen ebenfalls zu. Sie haben unterschiedlichste Kunden, die über große Datenmengen verfügen, diese aber selbstständig noch nicht mit KI bearbeiten können. Accenture3, eines der weltweit größten IT-Dienstleistungsunternehmen, kündigte kürzlich an, 30.000 Fachleute auszubilden, um Kunden bei der Neugestaltung von Prozessen und der Einführung von KI unterstützen. Einige Softwareunternehmen haben zudem damit begonnen, bestehende Produkte mit KI-Funktionen auszustatten. Spätestens, wenn Kunden spürbare Effizienzgewinne erfahren, werden sich diese Anwendungen einfach monetarisieren lassen.
Schwierige Rahmenbedingungen bringen Risiken
Noch ist unklar, welche Endnutzer KI als Wettbewerbsvorteil und zur Verbesserung ihrer Gewinnspannen nutzen können. Potenzielle Kandidaten sind die Medikamentenentwicklung, industrielle Produktionsprozesse und Finanzunternehmen. Auf der einen Seite ist die Einführung von KI noch kein Grund, von diesen Unternehmen eine überdurchschnittliche Leistung zu erwarten. Auf der anderen Seite kann die Strategie von Unternehmen infrage gestellt werden, wenn diese die heute verfügbaren Möglichkeiten nicht nutzen.
Die KI steht erst am Anfang und bleibt ein starker Motor für die Weltwirtschaft (siehe Abbildung 1). Sie ist jedoch auch mit Risiken verbunden, da es sehr schwierig ist, den Zeitplan für künftige Entwicklungen abzuschätzen. Angesichts der unzureichenden Investitionen in der vergangenen Dekade in Stromerzeugungskapazitäten, könnte sich die Energieversorgung von KI-Rechenzentren zu einem potenziellen Engpass entwickeln. Die Unternehmensberatung McKinsey schätzt etwa, dass der Bedarf für Rechenzentren in den USA bis zu 12 Prozent des gesamten US-Strombedarfs ausmachen könnte4. Außerdem besteht die Gefahr, dass Modelle mit zunehmender Größe immer schwieriger zu trainieren, zu optimieren und auch zu erklären sind. Zudem gibt es derzeit einen Mangel an qualifizierten KI-Experten, was den durchgängigen Einsatz von KI ebenfalls behindern könnte. Datenschutz und -sicherheit erfordern einen Rechtsrahmen, der auch ethische Erwägungen berücksichtigt. Es ist davon auszugehen, dass diese Regulatorik das Risiko insgesamt verringert, aber auch den endgültigen Durchbruch von KI verzögern wird.
Drei Pfeiler für die sichere KI-Nutzung: Transparenz, Ethik und Regulierung
Das größte Risiko ist und bleibt der Missbrauch von künstlicher Intelligenz, selbst wenn dies unbeabsichtigt passiert. Vorurteile, die durch Algorithmen oder das Training von Modellen entstehen, die Verbreitung von Desinformation durch KI sowie der Datenschutz machen, machen es dringend notwendig, Kriterien für den Verantwortungsvollen Umgang mit der KI zu schaffen. Nur so können lässt sich sicherstellen, dass die Technologie zu unserem Vorteil arbeitet. Um eine verantwortungsvolle Entwicklung und Nutzung von KI-basierten Systemen zu gewährleisten, sollte eine entsprechende KI-Richtlinie sowohl transparente Aufsicht als auch ethische Rahmenbedingungen und Regulierung.
Es ist die Aufgabe der verschiedenen Interessengruppen, insbesondere der Investoren, bei diesem Prozess zu helfen. So wurde etwa der Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie (Facial Recognition Technology, FRT) bei der nicht autorisierten Massenüberwachung kritisiert – hauptsächlich in autoritären Regimen. Doch auch in den USA gab es eine Reihe unbegründeter Verhaftungen und Inhaftierungen, die auf algorithmische, rassistisch motivierte Vorurteile zurückzuführen sind. Bis Ende 2021 wird weltweit eine Milliarde Überwachungskameras im Einsatz sein, weshalb FRT eine der risikoreichsten Anwendung von KI lanciert. Dieses Jahr war Candriam maßgeblich an einer Investorenerklärung beteiligt, die von 55 weiteren Anlegern unterzeichnet wurde. Gemeinsam repräsentieren sie ein verwaltetes Vermögen von über 5 Billionen Dollar. Die Gruppe führte einen Dialog mit führenden Vertretern der FRT-Branche. Die nahmen die Bedenken zur Kenntnis – einige haben auch bereits entsprechende Maßnahmen ergriffen. Da sich Investoren zunehmend ihrer Verantwortung bei der Finanzierung von KI bewusst werden, haben mittlerweile eine ganze Reihe an Vermögensverwalter mit einem gesamtverwalteten Vermögen von 8,5 Billionen US-Dollar das von Candriam Co-geführte „2024 Investor Statement on Ethical AI“ unterzeichnet.
Globaler Regulierungsrahmen unwahrscheinlich
Durch Training gelernte Bias können auch auf den Einstellungsprozess, Strafjustiz und Finanzdienstleistungen auswirken. So hat sich gezeigt, dass KI-gesteuerte Kreditvergabealgorithmen Antragstellern, die einer Minderheit angehören, schlechtere Konditionen anbieten oder Kredite ganz verweigern. Fehlinformationen können sich mit KI-gestützten Anwendungen, wie z. B. „Deepfakes“, vervielfachen. Auf die Politik angewandt, verstärkt dies die Polarisierung und untergräbt das Vertrauen der Öffentlichkeit. Während der Covid-19-Pandemie haben KI-gesteuerte Algorithmen in den sozialen Medien reißerische Inhalte bevorzugt und damit Fehlinformationen über Impfstoffe weiter verbreitet. Datenschutzverletzungen sind ebenfalls eine offensichtliche Herausforderung, bei solch massiven Datenmengen mit sensiblen Informationen.
Die Regulierungsbehörden unterschiedlicher Regionen sind sich uneins. In der EU führt das Gesetz zur künstlichen Intelligenz schrittweise einen risikobasierten Rahmen für KI-Anwendungen ein und verbietet Praktiken wie Social Scoring, um ein Gleichgewicht zwischen Innovation und öffentlicher Sicherheit herbeizuführen. In den USA hat der designierte US-Präsident Donald Trump die Deregulierung von KI zwar nicht ausdrücklich angesprochen, aber die von ihm vorgeschlagenen Regierungsmitglieder, wie Elon Musk, haben sich bereits für den Abbau regulatorischer Hindernisse im Technologiebereich ausgesprochen. Da es wohl nicht zu einem starken, globalen Regulierungsrahmen kommt, liegt die Verantwortung, ethische KI-Praktiken zu gewährleisten, zunehmend bei Unternehmen und Investoren.
Künstliche Intelligenz kommt in allen Branchen
Laut der World Benchmarking Alliance haben sowohl die Risiken als auch die Chancen der KI in den vergangenen zwei Jahren mit außergewöhnlicher Geschwindigkeit Realität angenommen5. Wir stehen erst am Anfang der KI-Entwicklung. Sie wird viele Lösungen für alltägliche Prozesse bieten und die wissenschaftliche Forschung beschleunigen, vor allem bei Anwendungen in den Bereichen Gesundheitswesen, Infrastruktur, Kommunikation und Finanzen. Gleichzeitig werden neue Technologien benötigt, um den Klimawandel zu bekämpfen.
KI wird in nahezu allen Branchen Einsatz finden. Daher ist es wichtig, ihre Leistungsfähigkeit zu nutzen und gleichzeitig ethische und sicherheitstechnische Risiken zu berücksichtigen – Datenschutz und Datensicherheit erfordern einen regulatorischen Rahmen. Anleger können gesellschaftliche Risiken begrenzen, indem sie bei der Aktienauswahl selektiv vorgehen oder in Segmente und Unternehmen investieren, die einen positiven Beitrag zum sichereren Einsatz von KI leisten. Dazu gehören beispielsweise Unternehmen für Cybersicherheit oder Technologien, die den Datenschutz verbessern. Wir sind der festen Überzeugung, dass eine positive Einstellung zu Technologie und speziell zu KI mit ethischen Erwägungen in Einklang gebracht werden kann.
Bild:Vincent Compiègne, Deputy Global Head of ESG Investments & Research bei Candriam (Foto: Candriam)
Quelle:redRobin. Strategic Public Relations GmbH