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Geht so Zukunft?

Worauf Start-ups bei der Mitarbeiterkapitalbeteiligung achten müssen

Der Sinkflug setzt sich fort! Die Turbulenzen der vergangenen Monate und Jahre hinterlassen auch in der deutschen Start-up-Szene ihre Spuren. Wie das Start-up-Barometer von Ernst & Young zeigt, sammelten Jungunternehmen 2023 hierzulande sechs Milliarden Euro ein – 39 Prozent weniger als im Vorjahr. Mit der Investitionssumme nahm generell die Zahl der Finanzierungsrunden (15 Prozent weniger Abschlüsse als 2022) und die Menge großer Deals von mehr als 100 Millionen Euro ab.

Anstatt Aufbruchsstimmung, Innovationsboom und Experimentierfreude macht sich Krisenstimmung breit. Kein Wunder: Es war noch nie so schwierig, Investoren zu finden. In der Folge stiegen, laut Informationsdienst Startupdetector, die Insolvenzen von Jungunternehmen 2023 auf ein Rekordhoch und die Gründungsaktivitäten kamen ins Stocken. Geht es nach der Ampelregierung, soll unter anderem dank Mitarbeiterkapitalbeteiligung damit Schluss sein. Doch wie funktioniert das in der Praxis?

Mitmachen lohnt sich

In zahlreichen Ländern gelten Mitarbeiterbeteiligungen als zentraler Schlüssel für ein dynamisches Wirtschaftswachstum – allen voran im Silicon Valley. Hierzulande, wo insbesondere der Fachkräftemangel die Entwicklung der Start-up-Szene bremst, sollen Mitarbeiterkapitalbeteiligungen nun mehr Schwung in innovative Branchen bringen. Wie? Der Hintergedanke solcher Beteiligungen ist es, ein Win-win-Szenario zu schaffen, indem Beschäftigte am zukünftigen marktwirtschaftlichen Wertzuwachs oder am Gewinn des Unternehmens teilhaben.

Entsprechende Programme sollen dabei nicht nur für gesteigerte Zufriedenheit, mehr Motivation und zusätzliches Geld sorgen, sondern auch Talente anlocken und einer wachsenden Anzahl Wechselbereiter Anreize bieten, in der Firma zu verbleiben. Speziell bei jungen Unternehmen können solche materiellen Beteiligungen die oft wenig marktfähigen Grundgehälter aufbessern, wodurch sie im War of Talents insgesamt wettbewerbsfähiger werden.

Virtuelle Potenziale ausschöpfen

In der Praxis sind bei Mitarbeiterkapitalbeteiligungen verschiedene Varianten in unterschiedlichen Spielarten und Gewichtungen denkbar. Grob lassen sie sich jedoch in virtuelle und reale Programme unterscheiden. Bei ersteren erhalten Mitarbeitende die Chance, an virtuell gebildeten Anteilen des Betriebs zu partizipieren. Beschäftigte werden hier nicht zu Gesellschaftern. Arbeitgeber räumen ihnen eine rein schuldenrechtlich vermittelte wirtschaftliche Beteiligung im Rahmen eines Virtual-Stock-Option-Programms (VSOPs) ein. Sie sollen Mitarbeitende langfristig an das Unternehmen binden, wobei es hier nicht zu einem tatsächlichen Aktienbesitz kommt, sondern zu einem zivilrechtlichen Zahlungsanspruch. Der Vorteil für Unternehmen? In der Praxis sind solche Programme relativ einfach durch einen schuldenrechtlichen Vertrag umsetzbar, was Unternehmen ausreichend Flexibilität bietet, sie an ihre Bedürfnisse anzupassen.

Vertraglich festzuhalten ist dabei unbedingt, wann einzelne Mitarbeitende virtuelle Anteile erhalten, wie die Wertentwicklung der Anteile berechnet wird, was geschieht, wenn Beschäftigte mit Anteilen kündigen, und wann sie ihre Anteile ausgezahlt bekommen. Und für Mitarbeitende? Virtuelle Beteiligungen umgehen die sogenannte Dry-Income-Problematik, die auftritt, wenn Beschäftigte Leistungen versteuern müssen, ohne dass ihnen ein liquider Gegenwert zur Verfügung steht. Abgaben an den Fiskus werden hier erst mit Geltendmachung des Zahlungsanspruchs fällig. Darüber hinaus ist es so möglich, eine doppelte Besteuerung zu umgehen. Da es keinen tatsächlichen Aktienbesitz gibt, wird keine Kapitalertragssteuer fällig. Vor allem Mitarbeitende müssen sich jedoch über den spekulativen Charakter eines VSOPs bewusst sein. Schließlich handelt es sich, je nach Gestaltung des Programms, um eine Wette auf den Unternehmenserfolg.

Reale Möglichkeiten schaffen

Neben virtuellen Anteilsbeteiligungen besteht die Option, Mitarbeitende real am Erfolg des Unternehmens teilhaben zu lassen, beispielsweise in Form von Aktien, Employee Stock Option Plans (ESOPs) oder Restricted Stock Units (RSUs) bzw. Awards (RSAs). In der Folge werden Mitarbeitende zu Mitgesellschaftern, wodurch ihnen neben einer Beteiligung am Gewinn auch weitreichende Informations-, Kontroll- und Mitbestimmungsrechte zustehen. Entsprechend geht diese Gestaltungsmöglichkeit der echten Anteilsbeteiligungen auf Start-up-Seite mit einem bürokratischen Mehraufwand einher – insbesondere, wenn es sich bei der Firma um eine GmbH oder UG handelt.

Solche Unternehmensformen würden eine Aufnahme in den Gesellschafterkreis notwendig machen, was aufgrund der Beteiligungsrechte nur für einen sehr geringen Teil der Arbeitnehmenden realistisch wäre. Vergleichsweise einfacher haben es Aktiengesellschaften (AGs). Sie können Mitarbeiterbeteiligungen in Form von Aktienoptionsplänen (ESOPs) oder in Programmen für eingeschränkte Aktien (RSAs und RSUs) anbieten.

Bei ESOPs erhalten Beschäftigte etwa die Möglichkeit, vergünstigt Aktien zu erwerben, wobei die Bedingungen im Plan festgelegt sind. Diese Programme sind langfristig angelegt und bieten Mitarbeitenden wiederholt die Chance, Anteile zu erwerben, um sie an das Unternehmen zu binden. RSA-Programme gewähren Arbeitnehmenden von Anfang an eingeschränkte Aktien, die erst zu einem späteren Zeitpunkt verkauft werden können. RSUs hingegen geben Angestellten einen Anspruch auf die Übertragung von Aktien zu einem späteren Zeitpunkt, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, ohne dass Mitarbeitende Aktien erwerben müssen. Stattdessen wird ein festgesetzter Betrag in RSUs umgewandelt, die an der Kursentwicklung des Unternehmens teilnehmen. Die endgültige Zuteilung erfolgt regelmäßig unentgeltlich.

Reale steuerliche Überlegungen

Anders als bei VSOPs, fallen bei realen Anteilen Abgaben an den Fiskus an. Egal, ob bei unentgeltlicher oder nur vergünstigter Übertragung, eine solche Beteiligung führt als geldwerter Vorteil grundsätzlich zu einer Versteuerung als Arbeitslohn. Entsprechend wird für Mitarbeitende die Lohnsteuer zum Zeitpunkt der Übertragung fällig, ohne dass liquide Mittel geflossen sind. Um den Nachteil dieser sogenannten Dry-Income-Besteuerung für Mitarbeitende von kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) zu reduzieren, gibt es seit Juli 2021 das Fondstandortgesetz. Das erlaubt einen Besteuerungsaufschub.

Anstatt im Jahr der Übertragung unterliegt der gesamte Arbeitslohn erst dann der Lohnsteuer, wenn die Vermögensbeteiligung ganz oder teilweise entgeltlich oder unentgeltlich übertragen wird, seit der Übertragung der Vermögensbeteiligung zwölf Jahre vergangen sind oder das Dienstverhältnis zu dem bisherigen Arbeitgeber beendet wird. Großer Pluspunkt hier: Im Zeitpunkt der Nachversteuerung findet eine mögliche Werterhöhung der Vermögensbeteiligung keine Berücksichtigung, während eine betrieblich veranlasste Wertminderung einbezogen wird.

In der betrieblichen Realität zeigte sich jedoch schnell, dass die Voraussetzungen für die Nutzung des Besteuerungsaufschubs für zahlreiche Unternehmen große Hürden darstellen und die Attraktivität von Mitarbeiterbeteiligungen hierzulande nicht zugenommen hat. Mit Inkrafttreten des Zukunftsfinanzierungsgesetzes zum 1. Januar 2024 wurden die Bedingungen für eine Beteiligung von Mitarbeitenden steuerlich weiter optimiert.

Künftig müssen Mitarbeitende ihre Firmenanteile später versteuern. Anstatt nach zwölf Jahren fallen Abgaben ans Finanzamt erst nach fünfzehn Jahren an, wodurch sich die Dry-Income-Problematik insbesondere auch bei jungen Unternehmen weiter entschärft. Darüber hinaus steigt künftig der Freibetrag für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen auf 2.000 Euro, wobei er weiterhin nur unter zwei bestimmten Voraussetzungen gilt. So muss es sich zum einen um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers handeln, die grundsätzlich allen Mitarbeitenden offensteht, die ein Jahr oder länger ununterbrochen für das Unternehmen gearbeitet haben. Zum anderen ist eine Kapitalbeteiligung eine Vermögensbeteiligung am Unternehmen des eigenen Arbeitgebers, die in Form von Sachbezügen gewährt wird. Werden die 2.000 Euro nicht vollständig ausgeschöpft, kann der Rest auch im Rahmen des normalen Gehalts fließen.

Und was nun?

In Zukunft werden materielle Beteiligungsformen für Unternehmen unerlässlich sein, um im War of Talents wettbewerbsfähig zu bleiben. Daher sollten Unternehmen die verschiedenen Optionen sorgfältig prüfen, um das geeignete Modell zu wählen. Dabei gilt es unbedingt zu beachten, dass es zwischen realen und virtuellen Optionen nicht nur „entweder … oder“ gibt; die Kombination verschiedener Modelle ist ebenfalls möglich. Ausschlaggebend sind die individuellen Gegebenheiten im Unternehmen, wobei die größten Anreize und Vorteile wahrscheinlich direkte Beteiligungen oder virtuelle Beteiligungen über ein VSO-Programm bieten. Letzteres ist besonders für Start-ups und mittelständische Unternehmen eine relativ einfache und kostengünstige Möglichkeit, die Mitarbeitende motiviert und sich für Unternehmen lohnt.

Autor:

Prof. Dr. Christoph Juhn ist ein Steuerrechtsexperte, Steuerberater, und Professor an der FOM Hochschule Bonn, spezialisiert auf Umstrukturierungen und M&A. Er gründete die JUHN Partner GmbH und betreibt einen YouTube-Kanal.

Bild Prof.Dr.C.Juhn_Bildquelle_©JUHN Partner GmbH

Quelle Borgmeier Media Gruppe GmbH

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