In Zeiten des Klimawandels stehen Regierungen und Unternehmen gleichermaßen unter Druck, nachhaltige Maßnahmen zu treffen. Doch reichen diese Bemühungen aus? Und wie transparent sind Unternehmen wirklich, wenn es um ihre Klimastrategien geht? Wir hatten die Gelegenheit, mit Renat Heuberger, dem CEO von South Pole, über diese drängenden Fragen zu sprechen. In diesem Interview beleuchtet Heuberger die Herausforderungen und Möglichkeiten von Klimaschutzstrategien, spricht Klartext über Phänomene wie Greenwashing, Greenhushing und Greenwishing und erklärt, was sowohl die Politik als auch die Wirtschaft jetzt tun müssen, um wirkungsvollen Klimaschutz voranzutreiben.
Herr Heuberger, reichen Ihrer Meinung nach die aktuellen Bemühungen von Regierungen, um die Ziele des Pariser Klima-Abkommens zu erreichen, respektive die CO2-Emissionen bis 2050 ausreichend zu reduzieren?
Renat Heuberger: Nein, denn die Regierungen zögern weiterhin, klare Klimagesetze zu erlassen. Deshalb müssen private Unternehmen jetzt aktiv werden. Bis zum Ende dieses Jahrzehnts ist eine immense Steigerung der Klimainvestitionen erforderlich – eine atemberaubende Summe von einer Billion Dollar. Um einen solchen Betrag für Klimaschutz aufzubringen, brauchen wir glaubwürdige Klimastrategien des Privatsektors, die auch korrekt, klar und transparent kommuniziert werden. Derzeit haben sich nur etwa 7 Prozent aller börsennotierten Unternehmen ein Netto-Null-Ziel gesetzt. Das heißt, dass derzeit rund 93 Prozent der gelisteten Unternehmen wenig bis nichts unternehmen.
In den Medien hört man vermehrt von Greenhushing, aber auch von Greenwishing. Können Sie uns diese beiden Begriffe erklären?
Renat Heuberger: Vielen ist der Begriff «Greenwashing» bereits bekannt. Er beschreibt Unternehmen, die Nachhaltigkeitsversprechen abgeben, diese aber übertreiben oder nicht einlösen. Greenhushing bezieht sich auf Unternehmen, die aus Angst vor Kritik hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeits-Bemühungen – etwa ihrer Efforts zur Dekarbonisierung – schlicht schweigen. Dies obgleich sie sich Klimaziele gesetzt haben. Greenwishing hingegen beschreibt Unternehmen, die zwar kühne Klimaversprechen abgeben, aber keine nachvollziehbaren Pläne haben – vor allem aber keine transparenten und messbaren Verpflichtungen zur Umsetzung eingehen. Oder aber Unternehmen, die nur schöne, aber abstrakte ‚Wünsche‘ darüber äußern, wie sie sich die Zukunft vorstellen.
Welche Auswirkungen haben die Trends Greenhushing und Greenwishing?
Renat Heuberger: Es ist ganz klar: Greenwashing ist inakzeptabel. Unternehmen sollen für ihre Bemühungen Anerkennung erhalten, aber die gemachten Klima-Claims müssen korrekt, klar und transparent sein. Greenhushing und Greenwishing sind aber auch höchst problematisch. Das Verschweigen von Klimazielen untergräbt Transparenz und den offenen und wichtigen Dialog über Klimaschutzmaßnahmen. Greenhushing verhindert, dass wir die Fortschritte und die Maßnahmen eines Unternehmens verstehen – und aus ihren Erfolgen und Fehlern lernen können. Auch wird dies andere nicht dazu inspirieren, ihre Ambitionen zu steigern.
Haben Sie eine Erklärung dafür, weshalb Unternehmen Greenhushing oder Greenwishing betreiben?
Renat Heuberger: Aus Unternehmenssicht sind die scheinbaren Vorteile von „Greenhushing“ und „Greenwishing“ offensichtlich: Greenhushing ermöglicht es, dass Sie bei der Umsetzung Ihrer Klimastrategie unter dem Radar der Öffentlichkeit bleiben und so darauf hoffen können, sich einer entsprechenden Prüfung zu entziehen. Bei Greenwishing wird das Unternehmen in den Augen der Öffentlichkeit als Klimavorreiter wahrgenommen, ohne das Risiko des Vorwurfs von Greenwashing. Es wurden ja keine verbindlichen Verpflichtungen eingegangen, sondern lediglich Unterstützung für nicht-messbare Klimamaßnahmen oder Wünsche für eine klimafreundliche Zukunft kommuniziert.
Wie kann man diesen problematischen Trends von Greenhushing und Greenwishing entgegenwirken?
Renat Heuberger: Offensichtliches Greenwashing muss kritisiert werden – anstatt bei jeder Klimaaussage aber sofort Greenwashing zu vermuten, sollte die Öffentlichkeit „radikale Klarheit“ verlangen. Unternehmen müssen dazu ermutigt werden, ihre Emissionen, Reduktionspläne, Erfolge und Lehren offen zu kommunizieren. Misserfolge auf dem Weg zu ehrgeizigen Klimazielen sollten nicht mit lauten Greenwashing-Vorwürfen kritisiert werden, sondern mit konstruktiven Verbesserungsvorschlägen. Der Fokus der Öffentlichkeit muss sich von jenen Unternehmen wegbewegen, die in Sachen Klima bereits auf transparente Weise aktiv sind, hin zur großen Mehrheit, die nämlich wenig bis nichts tut. Wir müssen Unternehmen davon überzeugen, dass ein konstruktiver öffentlicher Dialog zu transparenten Klimamaßnahmen möglich ist. Angesichts der größten Herausforderung der Menschheit dürfen Unternehmen weder schweigen, noch die Öffentlichkeit irreführen.
Bild Renat Heuberger | Copyright: South Pole
Quelle macheete | Büro für PR & Digitales