StartMeldungVon Mensch und Maschinen: Nehmen Chefs ihre Geräte wichtiger als ihre Mitarbeitenden?

Von Mensch und Maschinen: Nehmen Chefs ihre Geräte wichtiger als ihre Mitarbeitenden?

„Der Gerät wird nie müde, der Gerät schläft nie ein, der Gerät ist immer vor der Chef im Geschäft.“ Was der Schöpfer einer Fleischschneidemaschine in den 00er Jahren als Verkaufsargument anpries und damit zu einem frühen Interneterfolg wurde, steht als Quintessenz weiterhin bei vielen Chef:innen hoch im Kurs: Maschinen erledigen Arbeit zuverlässig – zuverlässiger als manche Mitarbeitende. Deshalb investieren einige Firmenverantwortliche Unmengen in ihre Gerätschaften. Personal klassifizieren sie als Kostenblock. Sie analysieren den Absatzmarkt, gehen hier strategisch vor. Nicht aber beim Personal. Ist diese Fokussierung die richtige Einstellung in Zeiten von Fachkräftemangel?

Natürlich kommt kein Betrieb heute weit, ohne gewisse Abläufe zu automatisieren oder zumindest digitale Helfer in den Arbeitsalltag zu integrieren. Unternehmen im herstellenden Gewerbe sind auf entsprechende Maschinen angewiesen. Ein stillstehendes Band bedeutet Umsatzverlust. Doch selbst, wenn ein produzierendes Unternehmen ein Produkt quasi ohne menschliches Zutun herstellen könnte, müssten im Backoffice, im Sales und vielen anderen Bereichen weiterhin Menschen arbeiten – ohne sie ist ein Unternehmen nur eine Anhäufung von Geräten. Wer soll die Maschinen bedienen, wenn die Kräfte fehlen? Also woher kommt die Fokussierung auf Nichtmenschliche Helfer?

Psychologische Komponente
„Die aktuelle Zeit stellt Unternehmen vor vielfältige Herausforderungen“, bekundet Psychologin Dr. Daniela Dolle, die Menschen und Organisationen in ihrer Entwicklung begleitet. „Tatsächlich werden nach meinem Eindruck dann schnell mitarbeiterbezogene Themen von absatznäheren, operativeren Themen verdrängt – ob von Gerätschaften im klassischen Sinne oder ganz einfach von aktuellen Anliegen der Kundschaft.“
Um diese Beobachtung zu verdeutlichen, nützt die Maslow’sche Bedürfnispyramide. Demnach befriedigen Menschen zuerst Bedürfnisse auf den unteren Stufen, wozu beispielsweise physiologische Faktoren zählen, bevor sie sich Bedürfnissen auf höheren Stufen wie sozialen Punkten widmen können. Auf den unternehmerischen Kontext übertragen, agieren demnach viele Firmen insbesondere in der aktuell fordernden Zeit eher auf der unteren, existenziellen Ebene. Sie wollen so durch markt-, produkt- und kundenbezogene Themen den Fortbestand sichern. „Analog wäre eine Investition in personalrelevante, kulturentwickelnde, mitarbeiterorientierte Themen eher eine Art „Luxus“, den man sich erst gönnt, wenn auf der unteren Ebene „alles geregelt“ und ökonomischer Erfolg weiterhin gesichert ist“, so Dr. Dolle.

Maschinen schmieren
Gerätschaften zu kaufen und ab dann nur noch für eventuell anfallende Reparaturen Kosten zu tragen, klingt dementsprechend verlockend. Doch geht diese Rechnung nicht so einfach auf. Maschinenkosten teilen sich in zeitbezogene und nutzungsbezogene Kategorien. Nutzungsbezogene Kosten, wie Kraftstoff, Schmierung oder Reparaturen, fallen nur bei Gebrauch der Apparatur an. Zeitbezogene Kosten entstehen unabhängig von der Nutzung – also auch bei Nichtverwendung des Gerätes. Dazu gehören beispielsweise:

Raumkosten für die Miete
Energiekosten
Instandhaltungskosten für Wartungsarbeiten und Reparaturen
Kosten für Betriebsstoffe wie Öle und Fette
Kalkulatorische Abschreibungen für die Maschine selbst
Kalkulatorische Zinsen für Sachanlagen im Unternehmen

Gerätschaften sind also auch nach der Anschaffung nicht umsonst. Ganz abgesehen davon, dass auch im Produktionsprozess immer wieder neue Maschinen auf den Markt gebracht werden, die versprechen, effizienter, präziser, quantitativer und qualitativer zu arbeiten, als die Vorgängermodelle.
„Seit der Industrialisierung ersetzen Unternehmer Mitarbeiter durch Maschinen in dem Glauben, sie würden so effizienter wirtschaften“, bringt Silke Masurat, Gründerin und Geschäftsführerin des Zentrums für Arbeitgeberattraktivität, an. „Dabei stellen diese Gerätschaften vor allem auf dem heutigen Stand der wirtschaftlichen Prozesse gar nicht mehr das Zünglein an der Waage dar. Nahezu alle Konkurrenten verfügen über maschinelle Helfer. Der entscheidende Parameter für Unternehmenserfolg, Leistung und Wettbewerbsvorteile ist der Faktor Mensch.“

Masurat erfasst mit ihrem Team und der Universität St. Gallen jährlich einen Querschnitt des deutschen Mittelstandes und beobachtet die Merkmale für erfolgreiche und in Schieflage geratene Unternehmen. Als ein Kriterium für gewinnbringende Leistung gehört Digitalisierung und ein gewisser Grad an Automatisierung. „Erfolgreiche Unternehmer, die zukunftskräftig aufgestellt sind, verstehen, dass ihre Mitarbeitenden diejenigen sind, die das Unternehmen vorantreiben und den Unterschied machen. Deshalb behandeln sie sie dementsprechend gut und sorgen dafür, dass sie sich am Arbeitsplatz wohlfühlen“, so die zeag-Gründerin.
„Eine wettbewerbsfähige Ausrichtung der Arbeitgeberattraktivität ist längst notwendige Bedingung für nachhaltigen unternehmerischen Erfolg geworden, also in der Pyramide nach unten gerutscht“, bekräftigt auch Dr. Dolle. Demnach können ohne die richtigen Fachkräfte Firmen ihre Kunden nicht hinreichend bedienen, Schlüsselprojekte nicht vorantreiben und Innovationen nicht weiterdenken. „Mitarbeiterorientierung ist kein „Luxusgut“ für gute Zeiten, sondern notwendige Bedingung für Existenzsicherung geworden.“

Werte erkennen und einordnen
Diese Debatte führt im Endeffekt zu einem Schmerzpunkt: die große Dissonanz zwischen interner und externer Strategie. Fachkräfte sind knapp, diese Wahrheit ist mittlerweile in allen Branchen und Unternehmensgrößen angekommen. Dennoch gehen Unternehmenslenker:innen anders an diese Problematik heran, als an ihre externen Herausforderungen – obwohl sie genauso umsatzschmälernde und zukunftsgefährdende Konsequenzen mit sich bringt. „In Bezug auf ihre Maschinen, ihre Absatzmärkte, ihre Produktinnovationen gehen Chef:innen strategisch und analytisch vor. Sie wissen, wie es um den Absatzmarkt bestellt ist. Sie führen regelmäßig Kundenbefragungen durch. Sie wissen, wer ihre Wettbewerber sind und wie diese vorgehen“, bringt Masurat an. „Sie treffen ihre strategischen Entscheidungen analytisch. Wenn ich mir Mittelständische Unternehmen anschaue, beobachte ich, dass oft in diesem Feld nicht strategisch vorgegangen wird. Obwohl auch im Fachkräftemarkt die gleichen Marketing- und Strategiegesetze gelten, wie im Absatzmarkt.“

Dabei können viele bestehende Analyse- und Lösungsansätze auf das Gewinnen und Halten von Mitarbeitenden übertragen werden. Ein Teil dessen ist die Analyse des Status quo. Umfangreiche Mitarbeiterbefragungen zeigen nicht nur die Stellschrauben, an denen noch gedreht werden muss. Sie loben in vielerlei Hinsicht auch das Unternehmen, wenn die Arbeitgeberattraktivität stimmt. „Ihre Kunden fragen sie nach ihrer Meinung – da halten Chef:innen auch ein kritisches Feedback aus und geben es deduziert weiter an ihre Mitarbeitenden, um Service und Produkte zu optimieren. Bei ihren Mitarbeitenden, ihren internen Kunden, machen sie das nicht. Sie machen irgendetwas aus dem Baugefühl heraus. Das ist ein Kardinalfehler.“
Der erste Schritt ist offene Kommunikation in alle Richtungen. Viele Unternehmen fürchten negative Kritik – und übersehen dabei den positiven Einfluss von gutem Feedback. „Sie sollten stolz sein auf das, was sie leisten! Meiner Erfahrung nach sind viele besser als sie denken“, stärkt Silke Masurat KMUs den Rücken. Mit offener und wertschätzender Kommunikation klappt es dann nicht nur mit den Werksmaschinen, sondern auch mit den Fachkräften. Schließlich sind es die Menschen, die den Umsatz erwirtschaften.

Bild:zeag pexels (c) Helena Lopes

Quelle:Borgmeier Public Relations

Lesetipp Readly: Wirtschaftsmagazin Paul F

-Anzeige-spot_img
-Anzeige-spot_img

Investments

Cookie Consent mit Real Cookie Banner