Digitalisierung und Hochschulen: Schritt für Schritt zur digitalen Bildung
von Felix Klühr, Founder + CEO von Skive
Viele – nicht alle – Gründungen starten mit einem sehr persönlichen Problem. So war es auch bei uns. Unsere Schlüsselfrage lautete: Wie schaffen wir es bestmöglich durch die anstehende Klausurphase? Gerade beim neu eingeführten Format der Multiple-Choice-Klausur war die Frage nach dem „Wie“ in der Vorbereitung für uns nicht trivial zu beantworten.
Um den teuren, privaten Repetitorien zu entgehen, erstellten wir uns selbst Übungsfragen für Kurse wie Finanzbuchhaltung oder Grundlagen der BWL. Schnell stellten wir fest, dass das Interesse an unseren Lerninhalten groß war und wir entwickelten – nach etlichen unerwarteten Komplikationen – die Idee zu “Skive” – einer mobilen Lernapp zur Vorbereitung auf die anstehenden Klausuren.
Drei Jahre und unzählige Stunden Arbeit später nutzen mehr als 150.000 Studenten an über 100 Universitäten “Skive” und lernen mit zugeschnittenen Karteikarten und Übungsfragen für ihre Vorlesungen. Wir haben in den letzten drei Jahren viel gelernt, ob über E-Learning, Hochschulen, Studierende oder Geschäftsmodelle. Wir werden oft gefragt, wie es denn um das „Trendthema“ digitale Bildung steht. Ein guter Anlaß, einmal Resümee zu ziehen und einige der Erfahrungen zusammenzufassen.
Digitale Bildung: Immer noch mehr Trend als Fakt
Trotz zunehmender Bereitschaft einzelner Professoren und Lehrstühle ist das Thema “digitale Bildung” immer noch mehr Buzzword als gelebte Praxis. Unverständlich, wenn man bedenkt, wie sehr sich doch das Thema “Digital” durch unsere Gesellschaft zieht. Verständlich, wenn man bedenkt wie sehr es den Menschen schwer fällt, funktionierende Mechanismen zu durchbrechen. Und auch, wenn die Vielzahl von Gremien, Arbeitsgruppen und Foren zu dem Thema ein erster Schritt sind, werden noch Monate und Jahre ins Land ziehen, bis wir einen echten “Umbruch” bemerken.
Ein aus unserer Sicht essentieller Schritt dafür ist, das “digital” in „digitale Bildung“ nicht als Substitut, sondern als Ergänzung, als Komplement zur traditionellen Lehre zu sehen. Mit diesem Verständnis können Pilotprojekte schneller und effektiver durchgeführt werden und wir können uns von der grauen Theorie der Diskussion über „Chancen und Risiken der digitalen Transformation“ wegbewegen.
Digitales Lernen: Nicht immer mit mehr Aufwand
Jeder Lehrende kennt das: E-Learning bedeutet zuerst einmal Mehraufwand mit ungewissem Resultat. Generell ist es extrem schwierig vorherzusagen, ob Studentinnen und Studenten das E-Learning Angebot überhaupt annehmen. Dazu kommt, dass der Mehraufwand in der Lehre aus Sicht des Dozierenden oftmals weniger wertvoll ist, wie ein vergleichbarer Mehraufwand in der Forschung. So kann eine negative Grundhaltung entstehen. Genau hier setzen wir an und versuchen Modelle zu entwickeln, bei denen sich der Aufwand auf Seiten des Lehrstuhls im Rahmen hält und alle Vorteile des E-Learnings genutzt werden können.
So bindet unser Modell mit der Universität Kassel die Studierenden in die Erstellung von Lerninhalten aktiv mit ein und die im Rahmen von Tutorien erstellten Übungsfragen werden zentral überprüft und in das System eingegeben. Das Resultat: Studierende honorieren die Einbindung von mobilem Lernen in der Evaluation und erzielen im Durchschnitt 11 Punkte mehr als Ihre Kommilitonen ohne “Skive” in der 90 Punkte Klausur.
Business in der Bildung: Kreativität und einen langen Atem
Stellt sich die Frage nach dem Geschäftsmodell im Hochschulbereich in Deutschland: Ein Verkauf an Studierende? Eher schwierig. Wer zahlt hierzulande schon für Bildung? Der direkte Verkauf einer Lernplattform an Hochschulen? Nimm Dir lieber ein paar Snicker’s zur Hand. Ein werbefinanziertes Modell? Das wird mit der offiziellen Hochschulbrille nicht gerne gesehen.
Natürlich kann man nicht pauschalisieren, aber alle diese Dinge haben wir aus den verschiedensten Blickwinkeln bereits gehört. Das Zusammenbringen von Geschäftsmodellen und dem Hochschulbereich ist nicht trivial und wir glauben, dass hier Aufklärung betrieben werden sollte. Aufklärung, dass Innovation an der Hochschule wirtschaftlich sinnvoll sein darf, kann und manchmal auch muss.
Und jetzt aber das übergreifende, deutlich positivere und hoffentlich mutmachende Fazit: Wir bewegen uns in die richtige Richtung und erkennen in den letzten Monaten einen positiven Trend. Hin zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen Hochschulen, Politik und Start-ups.
Als Resultat erkennen wir viele interessante Modellansätze und Fälle, wie die Digitalisierung den Lern- und Lehrprozess positiv beeinflussen kann. Ein von jedem Gründer, von jedem Dozenten und von jedem Politiker gemeinsam unterstütztes Ziel und der Grund, warum wir uns die Mühe überhaupt machen. Jetzt gilt es nur noch, auf den gleichen Zug aufzuspringen.
Über den Autor:
Felix Klühr ist Gründer von Skive, einer digitalen Lernplattform für Studierende. Während des Studiums der Betriebswirtschaftslehre in München und Singapur entstand die Idee zu Skive, damals noch unter dem Namen qLearning. Nach ersten Einblicken in die Unternehmensberatung und die Welt des Venture Capitals entschied er sich mit Freunden Skive als Unternehmen in Berlin aufzuziehen. Heute nutzen 150.000 Studierende an über 100 Universitäten Skive für ihre Klausurvorbereitung. Zusammen mit seinem Team arbeitet er an der Digitalisierung der Lehre an Hochschulen weltweit.