StartExpertProfessionelles Networking: Von Fallobst zu reifen Früchten

Professionelles Networking: Von Fallobst zu reifen Früchten

expert_interview_msNetworking gehört zum guten Ton. Networking fördert das Geschäft. Kaum ein Tag, an dem in der Berliner Startup-Szene kein Meetup, Talk oder Summit stattfindet, auf dem man neue Kontakte kennenlernen kann. Doch wie findet man beim Networking die Menschen, die interessant und wertvoll sein können?

Marina Schmidt beschäftigt sich professionell mit dem Thema Networking, coacht Geschäftsleute und unterstützt Firmen, mit Networking ihr Business Development zu fördern. Warum einige beim Networking immer nur “faules Fallobst” finden und andere die “reifen Früchte” ernten – ein Interview zwischen zwei professionellen Networkern.

Warum sind Netzwerk-Veranstaltungen für das eigene Geschäft so wichtig? Es gibt doch Netzwerke, wie Linkedin, XING oder Lead Marketing mittels Whitepapern und Webinaren.

Ich habe früher Google-Produkte an Unternehmer verkauft. Es war erstaunlich, wie die gleichen Menschen, die mir als Fremde aus dem Internet nicht zuhören wollten, plötzlich ganz begeistert waren von der Idee, sobald sie mich persönlich kannten: “Das ist ja genau, wonach wir gesucht haben!”. Wir machen gerne Geschäfte mit Menschen, die wir kennen, mögen und denen wir vertrauen.

Stell dir vor, du sollst jemanden für einen Auftrag im Unternehmen vorschlagen. Herrn Meier kennst du persönlich und erinnerst dich noch an mehrere gute Gespräche. Herr Semhauser ist dir nur als zweidimensionales Bild aus deinem Linkedin-Feed bekannt. Mit wem würdest du lieber zusammen arbeiten? Social Media ist nützlich, um bestehende Beziehungen zu erhalten, aber eher weniger, um neue Kontakte zu knüpfen. Linkedin und Lead Marketing sind Personal Branding, kein Networking.  

“What is our unique selling proposition?

It’s all about relationships, we’re building with our customers.”  

Tim O’Reilly

In welchen Bereichen bietet es sich aus Deiner Sicht an, professionelles Networking zu nutzen und aktiv einzusetzen, um das eigene Geschäft beflügeln zu können?

Das Tolle an Networking ist, dass man sich den Umfang der Vorteile kaum ausmalen kann. Als Unternehmer und Selbstständiger ist es absolut fundamental, um erfolgreich zu sein und als Arbeitnehmer kann es einen unersetzlich machen, besonders im Business Development und B2B-Vertrieb. Wir übersehen jedoch noch viele Möglichkeiten, denn es bringt nicht nur geschäftliche Vorteile.

Allein in den letzten Monaten habe ich rund 19.300,- Euro gespart durch persönliche Kontakte. Dazu gehören Weiterbildungen, Teilnahmen an Workshops und kostenlose Locations. Von einem guten Netzwerk profitiert man nicht nur selbst, sondern auch Familie und Freunde. Ich konnte meinen Freunden schon neue Kooperationspartner, Kunden und sogar Jobs ermöglichen. Das kam aber nicht durch die Intention, etwas aus meinem Netzwerk herauszuholen. Es war ein guter Nebeneffekt.

Viele Besucher von Netzwerk-Veranstaltungen zielen darauf ab, sofort Kunden zu gewinnen. Worauf würdest Du bei einem ersten interessanten Kontakt besonders achten?

Wenn ein Verkäufer einem Kunden unbedingt etwas andrehen will, nennen wir das im Salesbereich “Comission Breath”. Wir wissen, wenn jemand eine versteckte Absicht hat. Der Gegenüber ist nicht nur ein Jobtitel und sollte nie so behandelt werden. Man weiß nie, wen die Person kennt oder welche Möglichkeiten sich ergeben können.

Beim Halten eines Workshops lernte ich Christoph kennen, welcher vor 5 Monaten seinen Job gekündigt hatte und durch Europa reiste. Er war weder potenzieller Kunde, noch gab es einen klaren Weg, wie wir zusammenarbeiten könnten. Wir verstanden uns aber persönlich so gut, dass ich ihn in seiner Zeit in Berlin herumführte und Freunden vorstellte. Einige Zeit später rief er mich an und fragte, ob ich nicht Lead Trainer bei einer Start-up School in Spanien werden möchte.

Fazit: Man weiß nie und nimmer was sich ergeben kann aus einer Bekanntschaft. Sympathie und geteilte Interessen haben deshalb höchste Priorität.

Wie entwickelt sich Networking, wenn es erfolgreich ist? Sollte ich generell möglichst viele Kontakte machen oder mit wenigen Kontakten längerfristig zusammenarbeiten?

Ich unterscheide zwischen “Grass-root” und “Tree-top” Networking: Durch eine Hand voll Visitenkarten nach einem Event ist es einfach das gute Gefühl zu bekommen, Networking zu betreiben. Meistens ist der Kontakt nach 15 Minuten Gespräch noch nicht stark genug, um bestehen zu bleiben und läuft ins Leere. Nach einigen Tagen geht man auf das nächste Event und fängt von Vorne an. Eine Verschwendung von Zeit, Geld und Energie. So bleibt man immer nur auf der “Grassebene” und bekommt mit viel Glück mal eine “faule Frucht” ab.

Der Schlüssel zum Erfolg beim Aufbau eines Netzwerks ist die Pflege qualitativer Kontakte. Dadurch kommen wir zum “Tree-top”, wo wir statt “liegengebliebenem Fallobst” die schönen, saftigen Früchte aus Beziehungen genießen können. Dazu zwei praktische Tipps:

Tipp 1: Statt mit 10 Visitenkarten und 0 authentischen Kontakten nach Hause zu gehen, setze dir das Ziel, eine Person zu finden, mit der du wirklich in Kontakt bleiben möchtest. Verbringe genug Zeit mit dieser Person, um einen Kontakt aufzubauen, der das Event überdauert.

Tipp 2: Finde einen Weg, der Person womöglich zu helfen. Sei dir im Klaren, was der nächste Schritt ist, bevor du das Gespräch verlässt und übernimm die volle Verantwortung dafür, die Beziehung aufrecht zu erhalten. Damit meine ich nicht eine Linkedin-Anfrage, sondern ein Telefonat, zusammen auf ein anderes Event zu gehen oder eine Einladung zu einem Treffen.

grasroot

“Business is all about personal contact.

No matter how heavy your workload is… everyone can and should be a networker.”

Richard Brandson

Wir alle kennen die Situation: Einige Gäste werden umlagert, andere stehen allein mit ihrem Drink herum? Wie kann ich zu denen gehören, die interessante Gespräche führen?

Zuersteinmal muss ich hervorheben, dass man auch mit einer introvertierten und schüchternen Persönlichkeit ein sehr erfolgreicher Netzwerker sein kann, da es ja nicht um Quantität geht.

Der amerikanische Kommunikationstrainer Dale Carnegie sagt, dass man in 2 Wochen mehr Freundschaften knüpfen kann, als in 2 Monaten, wenn man authentisches Interesse an anderen Personen zeigt.

Wann immer eine Konversation stagniert, ist der Grund häufig fehlendes Fragen. Meistens lasse ich meinen Gegenüber 70% der Zeit reden und bekomme dann die Reaktion: “Es war toll mit dir zu sprechen!” Was in den restlichen 30% geschieht, ist jedoch mindestens genauso wichtig. Meine Coachingklienten kommen zu mir mit dem Problem: “Es ist so schwer, die richtigen Menschen zu finden.” Dabei kann man sie “erziehen”, indem man genau das sagt, was unpassende Persönlichkeiten abschreckt und die Mensch begeistert, die man in seinem Leben haben möchte.

Ich sprach mit einem Unternehmer bei einer Dinnerparty im Soho-Haus und ich erzählte ihm davon, wie wichtig es für mich ist, fast jeden Tag auszugehen, auf meine Gesundheit zu achten und mich lebenslang weiterzubilden. Als ich wirklich zeigte, wer ich bin, reagierte ein Großteil der anderen Teilnehmer mit: “Oh Mann, ich glaub du musst echt mal entspannen!”

Ich muss zugeben, dass war etwas kränkend, doch einige Momente später tippte mir jemand auf die Schulter. Eine Frau lehnte sich zu mir und sagte: “Entschuldige. Ich hab das Gespräch gerade mitbekommen und war erstaunt, wie viel wir gemeinsam haben. Mein Name ist Nicole.” Das war der Anfang eines tollen Gespräches, einer guten Freundschaft und einer geschäftlichen Kooperation.

Auf welche Art kann ich mit Networking selbst nachhaltig erfolgreich agieren? Würdest Du selbst Veranstaltungen machen, um als Gastgeber von Netzwerk-Effekten zu profitieren?

Eine meiner Coachingclienten – Sabrina – meinte einmal zu mir: “Ich hatte diese Woche schon 4 Treffen mit interessanten Menschen vom letzten Event und nun kommen immer mehr hinzu. Es ist wirklich Net-Working.” Oft ist es nicht nötig und auch nicht möglich, sich mit Vielen im Zwei-Augen-Gespräch zu treffen. Durch das Veranstalten von Freizeitaktivitäten, Brunches und Cocktailparties hast du eine Reihe von Vorteilen.

Erstens kannst du den Kontakt mit vielen Bekannten auffrischen oder vertiefen. Zweitens schaffst du Werte, denn du stellst Menschen einander vor. Drittens kannst du dadurch tolle Menschen kennenlernen, indem du z. B. dazu einlädst, dass jeder eine faszinierende Person mitbringen soll.

Ich habe im letzten Jahr über 60 Treffen veranstaltet und sehe es als einen der wichtigsten Punkte, um ein Netzwerk aufzubauen und zu pflegen. Es muss nicht groß sein und auch nicht unbedingt etwas kosten. Ein Abend im Restaurant mit 4 Freunden kann der Anfang sein.

“Business isn’t more than a bunch of human relations.”

Lee Iococca

Zu guter Letzt: Welche Gruppe von Partnern ist generell besonders interessant, um sein Netzwerk auszubauen und von Effekten zu profitieren? Und wo finde ich sie?

Es gibt viele Menschen die denken, dass sie ein Netzwerk haben. Es gibt wenig Menschen, welche wirklich eins besitzen und noch weniger, welche ihre Kontakte auch gern teilen. Der Vorstand in einem Verbund von Unternehmern hat vielleicht ein großes Netzwerk, doch wenn er nicht gerne hilft und keine Werte für andere schafft, dann bringt das nichts.

Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die nicht die Jobposition, aber den Charakter haben. Und das ist womöglich, worauf es ankommt. Multiplikatoren sind Menschen mit der Intention zu geben und zu helfen. Um den Kontakt zu solchen Menschen zu finden, müssen wir aber selbst diese Charakterstärke beweisen. Der Fokus muss weg vom “Was kann ich kriegen?” und hin zu “Was kann ich geben?”. Eine Frage, die ich ständig stelle ist: “Wie kann ich dir helfen?”.

Erst vor einigen Tagen meinte ein alter Bekannter zu mir: “Es ist unglaublich, wie viel Glück du ständig hast, alles fliegt dir einfach so zu.” Ich schüttelte darauf den Kopf: “Das ist nicht Glück. Das ist was passiert, wenn du Menschen hilfst, mit Integrität deine Versprechen hältst und nicht krampfhaft etwas im Gegenzug erwartest.”

Vielen Dank für Deine Einblicke!

Das Interview führte Thomas Keup.

Über Marina Schmidt

Marina Schmidt ist professionelle Rednerin zum Thema Networking – u. a. für Google Developers, Immobilienscout 24 und Deutsche Bank. Sie hilft Vielbeschäftigten in weniger Zeit bessere Resultate zu bekommen und ein Netzwerk aufzubauen, das Mehrwert schafft. Mehr Informationen zu ihren Workshops auf networkingaccelerator.com. Außerdem steht Marina für persönliches Coaching, Inhouse-Workshops, die Unterstützung von Konferenzen und Unternehmen zur Verfügung.

Kontakt:
marina.schmidt@persedu.de

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